Die Armutsschere wird aktuell wieder größer in Deutschland. Doch was bedeutet das und wer ist betroffen? Die Pandemie hat uns alle mitgenommen, auch finanziell – einige mehr, andere weniger. Viele Unternehmer*innen haben in der Pandemie Möglichkeiten gefunden, ihr Geld weiter zu vermehren und Geschäfte zu machen, indem sie in Technologieunternehmen oder ins Gesundheitswesen investiert haben. Gleichzeitig haben Menschen an der Armutsgrenze oder von Armut Betroffene ihren Job verloren oder mussten wegen Kurzarbeit auf einen Teil ihres Gehalts verzichten. So sind Reiche über die Pandemie hinweg immer reicher und Arme immer ärmer geworden. Doch was heißt es eigentlich, in Deutschland arm zu sein? Jeder hat eine andere Vorstellung davon, was Armut genau bedeutet.
Zwei Extreme
In Deutschland ist das genau definiert. Arm in 2021 ist, wer weniger als 60 % des Durchschnitt-Nettolohns erhält. Der beträgt 1.176 Euro. Als reich gilt, wer monatlich mehr als 3.900 Euro Nettogehalt verdient. Die reichste Hälfte der Bevölkerung verfügt über 99,5 % der Vermögen in Deutschland. Da wir in einem Sozialstaat leben, müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie groß eine solche Vermögensungleichheit werden darf. Einige Stimmen sagen, dass es jetzt schon Zeit ist Maßnahmen zu ergreifen. Ansetzen kann man hier an beiden Enden. Mit einer Mindestlohnerhöhung oder dem neuen Projekt der Bundesregierung, der Arbeitslosengeld-Reform, kann ver man der Armutsschere versuchen entgegenzusteuern. Davon abgesehen, dass das neue Bürgergeld stark umstritten ist, sehen einige auch den Bedarf, die oberen 10 % zur Verantwortung zu ziehen.
Ansätze an beiden Enden
Mittels verschiedener Steuerkonzepte könnte man die Superreichen zur Kasse bitten. Vermögenssteuer, Erbschaftsteuer und die Abgeltungssteuer sind Mittel, die man einsetzen könnte. Die Erbschaftssteuer existiert bereits in einem vorgeschriebenem Maß und besteuert den Übergang von Vermögenswerten einer verstorbenen Person an die Erben. Ähnlich sieht es bei der Abgeltungssteuer aus. Sie existiert seit 2009 und besteuert Anleger, die dank Bankeinlagen, Aktien, Anleihen, Fonds oder Zertifikaten Kapitaleinkünfte beziehen.
Diese Steuerarten einzusetzen oder zu erhöhen, könnte einige Kritik mit sich bringen. Reiche Staatsbürger*innen werden schon zur Kasse gebeten und müssen, wenn man die Summen betrachtet, ordentlich zahlen. Dennoch kritisieren einige das System in Deutschland. Prozentual gesehen vom Gesamtvermögen wären die Abgaben immer noch zu gering. Außerdem lässt das Gesetz zu viel Spielraum für Superreiche, die Steuer zu umgehen. In manchen Artikeln wird Deutschland als Paradies für Reiche beschrieben. Hierbei geht es unter anderem auch ums Erbe.
Gesetzeslücke dank Lobbyarbeit
Privilegien im Erbschaftsteuerrecht ermöglichen es manchen Erben, hohen Steuerbeträgen aus dem Weg zu gehen. Dass es nicht zu einer Reform des Erbschaftsteuerrecht kommt, wird größtenteils der Lobbyarbeit des vermögenden Teil Deutschlands zugeschrieben. Eigentlich hatte der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Neuregelung von 2016 verfassungswidrig ist, weil sie zu weitgehende Ausnahmen zulässt. Aber das Bundesfinanzministerium zwingt die Finanzverwaltung per Erlass, dieses Urteil zu ignorieren. Im Jahr 2020 wurden ungefähr 400 Mrd. Euro vererbt, von denen der Fiskus nur 8,6 Mrd. eingenommen hat.
Millionen Erbe Antonis Schwarz, Erbe der Schwarz Pharma AG, unterstützt eine stärkere Besteuerung für Superreiche. Auch die Abgeltungssteurer könnte geändert werden. Der Verteilung und Besteuerung des Aktienbesitzes kann als ungerecht angesehen werden. Jemand, der Millionen oder Milliarden besitzt, zahlt prozentual genauso viele Steuern wie jemand, der sich gerade so etwas angespart hat. Da die Thematik sehr komplex ist und auch gesellschaftliche und soziale Aspekte eine Rolle spielen, bleibt es jedem überlassen sich selbst eine Meinung zu bilden. (sms)