Die 73. Internationalen Filmfestspiele Berlin, die am 26. Februar mit der feierlichen Preisverleihung der Berlinale-Bären beendet wurden, haben nun auch offiziell Bilanz gezogen. Die Festivalleitung wertet die erste vollumfängliche Präsenzveranstaltung nach zwei pandemiebedingten Ausnahmejahren als wirtschaftlichen Erfolg.
Rund 20.000 Akkreditierte, darunter 2.800 Medienvertreter, aus 132 Ländern kamen nach Berlin, 320.000 Tickets wurden an das Publikum verkauft. Damit knüpfen die Internationalen Filmfestspiele Berlin an die Zuschauerzahlen vor der Pandemie an.
Im Berlinale-Wettbewerb waren zum Abschluss der Goldene Bär und die Silbernen Bären vergeben worden. Der Dokumentarfilm „Sur l’Adamant“ des französischen Regisseurs Nicolas Philibert erhielt den Hauptpreis. Der Film erzählt von einer Hilfseinrichtung für Menschen mit psychischen Problemen in Paris. Der deutsche Regisseur Christian Petzold wurde für „Roter Himmel“ mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet. Der Schauspielpreis für eine Hauptrolle ging an die neunjährige Sofía Otero für ihre Darstellung im Coming-of-Age-Film „20. 000 especies de abejas“. Darin spielt sie ein Kind, das auf der Suche nach seiner geschlechtlichen Identität ist
„Volle Kinosäle, bewegende Momente, zahlreiche prominente Gäste und ein neugieriges Publikum kennzeichnen die Berlinale 2023. Das ist für uns gelebte Kinokultur in all ihrer Vielfalt. Die Freude und das gemeinsame Erleben standen im Vordergrund. Wir wünschen uns, dass sich diese Kinobegeisterung auch nach dem Festival fortschreibt”, kommentiert das Berlinale-Leitungsduo Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian. Den Kinos in Deutschland ist dies zu wünschen: Laut einer Marktanalyse der Filmförderungsanstalt lag der Ticketverkauf im Jahr 2022 bei 78 Millionen – die Filmtheater verzeichneten damit gegenüber dem letzten vorpandemischen Jahr 2019 einen Rückgang von rund 34 %.
Großes Budget
Die Berlinale arbeitet mit einem Durchschnittsbudget von 25 Mio. Euro pro Jahr, finanziert vom Bund (rund 10 Mio. Euro), privaten Sponsoren und den Ticket-Verkäufen. In diesem Jahr kamen neben Regelfinanzierung noch einmalig 2,2 Mio. Euro aus dem Haus von Kulturstaatsministerin Claudia Roth hinzu. Laut Medienberichten erklärte die Grünen-Politikerin: „Damit möchten wir dazu beitragen, dass die Berlinale auch 2023 zu einem vollen Erfolg wird. Das stärkt auch den Filmstandort Deutschland.“
Die Berliner Großveranstaltung gehört zu den sogenannten A-Festivals: Der Weltfilmproduzentenverband FIAPF hat eine Art Gütesiegel geschaffen und einige wenige internationale Festivals gelistet, die im Wettbewerb ausschließlich Uraufführungen zeigen und bestimmte Standards erfüllen. Attraktiv für Filmproduzenten: Viele Filmförderungssysteme arbeiten mit lukrativen Bonussystemen für jene Filmproduktionen, die auf einem A-Festival liefen. Neben der Berlinale gehören auch die Filmfestivals von Cannes, Shanghai, Moskau, Locarno, Montreal, Venedig, San Sebastián, Tokio oder Warschau zu den privilegierten A-Festivals.
DAS Treffen zum Thema Filmfinanzierung
Und noch etwas beschert der Berlinale einen filmwirtschaftlichen Sonderstatus: der European Film Market (EFM), auf dem Produzenten, Verleiher, Sendeanstalten, Filmanbieter und -käufer aus der ganzen Welt über Lizenzen verhandeln. Dieser internationale Markt bildet so etwas wie das ökonomische Rückgrat der Filmfestspiele: Während es im Berlinale-Palast am Potsdamer Platz um Kunst und Kultur, Stars und Sternchen, rote Teppiche und schwarze Limousinen geht, spielt im benachbarten Gropius-Bau die globale Filmfinanzierung die Hauptrolle.
Auch hier meldet die Berlinale eine Rückkehr zur Normalität: Nach zwei pandemiebedingten Online-Ausgaben in den Jahren 2021 und 2022 zog die nun wieder physische Marktedition mit 230 Ständen und 612 Firmen aus 78 Ländern und insgesamt über 11.500 Fachbesuchern aus 132 Ländern eine Rekord-Bilanz. „Der EFM hat damit seine Position als eine der international bedeutendsten Plattformen für den Handel mit audiovisuellem Content eindrucksvoll unter Beweis gestellt“, kommentiert EFM-Direktor Dennis Ruh.
Die EFM Industry Sessions unter der Überschrift „Shift Happens“ sollten für Impulse zum Um- und Neudenken und zur Mitgestaltung der Zukunft der Film- und Medienbranche sorgen. Dem Thema Diversity & Inclusion wurde im „Equity & Inclusion Pathways“- Seminar in einer auf drei Jahre angelegten Veranstaltungsreihe ein halbtägiger Summit, der internationale Entscheidungsträger und Interessensvertreter zusammenbrachte, gewidmet. Die mehr als 100 geladenen Gäste einigten sich in einem gemeinschaftlichen Prozess auf zentrale Resolutionen mit konkreten Zielsetzungen, die auf europäischer Ebene einen infrastrukturellen Wandel in Gang setzen sollen.
Der EFM unterstützte übrigens in diesem Jahr gezielt Filmschaffende aus der Ukraine und dem Iran mit zahlreichen Sondermaßnahmen wie Standrepräsentanzen auf den Ausstellungsflächen und bot der Branche Plattformen, um auf die Situation in ihren Ländern aufmerksam zu machen, Koproduktions- und Finanzierungspartner zu finden und zu netzwerken.
Die 74. Internationalen Filmfestspiele Berlin finden vom 15. bis 25. Februar 2024 statt. (sg)